Unabhängig von der Selbstverantwortung: Menschen machen nun mal Fehler. Wie begegnet die BFU diesem Problem?
Stefan Siegrist: Wir appellieren einerseits an das Verhalten. Denn wenn wir die richtigen Botschaften der richtigen Zielgruppe senden, erzielt dies Wirkung. Andererseits ist Verhältnisprävention meist nachhaltiger. Menschliches Fehlverhalten ist nicht einfach eine Charakterschwäche, sondern oft die Folge der begrenzten menschlichen Leistungsfähigkeit. Deshalb muss man Menschen möglichst sichere Verhältnisse zur Verfügung stellen. Auch die technischen Möglichkeiten gilt es auszuschöpfen: Ein Notbremsassistent kann beispielsweise eine gefährliche Situation entschärfen, die durch eine abgelenkte Person am Steuer entstanden ist. Es geht darum, den Menschen möglichst zu entlasten, statt mit viel Aufwand zu versuchen, das fehlerhafte Verhalten der Menschen zu verändern.
Thomas Steffen: Verhältnisprävention ist zeit- und ressourcenintensiver. Sie ist aber oftmals wirksamer und nachhaltiger. Der Effekt auf die Gesundheit ist immens, seit in Restaurants heute nicht mehr geraucht wird. Auf sichere Verhältnisse zielte auch ein Projekt in Basel ab, an dem ich beteiligt war. Es ging darum, Übergewicht bei Kindern zu reduzieren. Dabei setzten wir neben Information vor allem auf die passende Umgebung. Kindergärten wurden umgebaut, um den Kindern mehr spontane Bewegung zu ermöglichen. An Schulautomaten und am Pausenkiosk liessen wir Süssgetränke und Pizza durch gesunde Snacks ersetzen. Der gesunde Weg sollte immer der einfachere sein. Dann funktioniert Prävention am besten.
Stefan Siegrist: Dem stimme ich zu. Dennoch ist es in der Übergangsphase manchmal so, dass der gesündere Weg auch ein «Lustkiller» ist. Ich kann mir z. B. keine TV-Serie «Die Präventionsprofis» vorstellen, Sendungen wie «Die Bergretter» und «Der Notfallchirurg» versprechen deutlich mehr Action. Prävention kann in gewissen Momenten zunächst mit einer Einschränkung der Lebensqualität einhergehen. Ein Velohelm wirkt sich nun mal auf die Frisur aus. Wichtig ist nur, dass die Menschen verstehen, dass Prävention wirksam ist.
Thomas Steffen: Der Mensch ist grundsätzlich ein Gewohnheitstier. Ehrliche, offene Kommunikation kann Hürden abbauen. Ich gebe zu, dass ich es manchmal auch anstrengend fand, während der Coronapandemie eine Maske zu tragen, und ich habe es auch so kommuniziert. Dennoch war es wichtig, richtig und hilfreich.