Strassenverkehr

Strassenverkehr Die Schweizer Strassen gehören zu den sichersten der Welt. In den letzten Jahren hat die Zahl der schweren Unfälle jedoch stagniert und ist nicht gesunken. Präventionsarbeit bleibt zentral.

Die BFU analysiert das Unfallgeschehen

Letztes Jahr haben in der Schweiz 200 Menschen im Strassenverkehr ihr Leben verloren. Das sind 27 weniger als im Jahr davor. Die Zahl der Schwerverletzten hingegen ist um 140 auf 3933 gestiegen. Besorgniserregend ist, dass der seit den 1970er-Jahren anhaltende Abwärtstrend bei den schweren Personenschäden gestoppt wurde.

Auch darum analysierte die BFU 2022 erneut das Unfallgeschehen auf den Schweizer Strassen und erhob eine ganze Reihe an Sicherheitsindikatoren wie Tragquoten von Helm, Sicherheitsgurten und Schutzbekleidung. Die Analysen des Sicherheitsniveaus wurden den Akteuren in der Unfallprävention und der Bevölkerung in Form von etablierten Publikationen wie Status (Statistik der Nichtberufsunfälle und des Sicherheitsniveaus in der Schweiz), Sinus (Sicherheitsniveau und Unfallgeschehen im Strassenverkehr) und den thematischen Erhebungsberichten zugänglich gemacht.

Seniorinnen und Senioren, Velos und Fussverkehr

Einen prägnanten und schnellen Überblick über das Unfallgeschehen und Sicherheitsniveau auf Schweizer Strassen gibt das Sicherheitsbarometer 2022. Es zeigt sich: Seniorinnen und Senioren sind besonders gefährdet. Und mit den Unfällen im Veloverkehr und im Fussverkehr bestehen für die Unfallprävention zwei weitere Dauerprobleme im Strassenverkehr.

Eine Kurzanalyse der BFU zeigte 2022 zudem, dass Kreisel für einspurige Fahrzeuge eine zusätzliche Gefahr darstellen; sie beschreibt auch, wie man sich auf dem Velo schützen kann und welche technischen Massnahmen Sicherheit bringen.

Die Aufbereitung der Daten, Fakten und Entscheidungsgrundlagen will die BFU künftig noch attraktiver gestalten. Hierzu wird ein webbasiertes Präventionsportal für einen einfachen und flexiblen Zugang zum gesammelten Fachwissen erarbeitet. 2022 lancierte die BFU das Projekt unter Einbezug der Zielgruppe.

Fehlerverzeihende Strasseninfrastruktur

Um schwere Unfälle zu verhindern, ist die Strasseninfrastruktur zentral. Das Ziel: Die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer sollen sich auf den Strassen intuitiv richtig verhalten, und Verhaltensfehler sollten keine schwerwiegenden Verletzungsfolgen nach sich ziehen. In diesem Zusammenhang schloss die BFU 2022 die mit EBP und der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) realisierte Studie «Self Explaining and Forgiving Roads» ab.

Die Arbeit identifiziert und bewertet innovative Verkehrssicherheitsmassnahmen – und präsentiert sie in Form von prägnanten Factsheets. Die Ergebnisse haben eine hohe Relevanz, um den sogenannten «Safe System Approach» auf Schweizer Strassen realisieren zu können.

Kurvenmarkierungen und Veloanlagen

2022 wurde die BFU zu Pilotprojekten beigezogen, um spezielle Kurvenmarkierungen zu beurteilen, die Motorradfahrende zu einer optimalen Fahrlinie bewegen sollen. Um den besonderen Herausforderungen im städtischen Verkehr gerecht zu werden, erarbeitete die BFU zudem präventionsorientierte Infrastrukturlösungen für den urbanen Verkehr.

Das Projekt der Schweizerischen Vereinigung der Verkehrsingenieure und Verkehrsexperten (SVI) zu Veloanlagen wurde in einem Konsortium erfolgreich abgeschlossen. Diese Forschungsarbeit zeigt, wie die Infrastruktur gestaltet werden muss, um die Sicherheit auf dem Velo und E-Bike künftig weiter zu verbessern.

ISSI mit Verbesserungspotenzial

Auch das vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) finanzierte Projekt Velo-ISSI schloss die BFU zusammen mit Partnern im vergangenen Jahr ab. Dabei prüften die Expertinnen und Experten, ob die offiziellen Instrumente zur Sicherheitsbeurteilung der Strasseninfrastruktur (ISSI) die Sicherheitsbelange der Velo- und E-Bike-Fahrenden genügend berücksichtigen. Das Resultat: Die Instrumente müssen weiterentwickelt werden.

Auf Basis der ISSI erarbeitete die BFU im Auftrag von Strasseneigentümern verkehrstechnische Empfehlungen zur Sanierung von Unfall- und Gefahrenstellen. Auch die bewährten Anlässe zur Vermittlung von präventionsorientierten Informationen zuhanden von Tiefbauämtern und Signalisationsbehörden fanden statt.

Und: 65 Expertinnen und Experten wurden im vergangenen Jahr im Rahmen der ISSI-Weiterbildungskurse ausgebildet.

Herausforderungen durch assistiertes und automatisiertes Fahren

Die BFU beurteilt laufend Möglichkeiten, wie sich unfallpräventive Aspekte in die Regulierungs- und Normierungsaktivitäten von Fahrerassistenzsystemen (FAS) einbringen lassen. Hierzu wurde der Austausch mit relevanten Partnern wie GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft), KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit, Österreich) und ASTRA weitergeführt. Ein Beispiel: Die Mitwirkung der BFU bei der Erarbeitung der rechtlichen Grundlagen zum automatisierten Fahren durch das ASTRA.

Um die neuen Herausforderungen und Gefahrenbilder durch das assistierte und automatisierte Fahren zu erforschen und anzugehen, wurden Untersuchungen initiiert und durchgeführt. Die BFU gleiste 2022 ein wissenschaftliches Testverfahren zur Sondierung der Leistungsmöglichkeiten und -grenzen von automatisierten Fahrfunktionen auf, das 2023 in Kooperation mit deutschen und österreichischen Partnerorganisationen (GDV und KFV) realisiert wird.

Mann bedient Fahrerassistenzsystem im Auto.

Die BFU beurteilt laufend Möglichkeiten, wie sich unfallpräventive Aspekte in die Regulierungs- und Normierungsaktivitäten von Fahrerassistenzsystemen (FAS) einbringen lassen.

Gezieltere Kontrollen – weniger Unfälle

Wer erwartet, im Verkehr kontrolliert zu werden, hält sich eher an die Verkehrsregeln. Der Vollzug von gesetzlichen Verhaltensvorschriften hat deshalb ein grosses Präventionspotenzial. Darum vermittelte die BFU 2022 interessierten Polizeikorps Fachwissen zur präventionsorientierten Gestaltung von Geschwindigkeits- und Substanzkontrollen.

Um den Kontrollbedarf weiter abzustecken, erfragte die BFU im Rahmen der jährlichen Bevölkerungsbefragung die Kontroll- und Sanktionserfahrungen von Verkehrsteilnehmenden. Es zeigte sich: Rund ein Viertel aller Autofahrenden gerät innerhalb eines Jahres in eine physische Polizeikontrolle. Unter Einbezug zahlreicher kantonaler Polizeikorps wurde ein Projekt aufgegleist, um 2023 den Anteil von Fahrten zu erheben, bei denen die Lenkenden alkoholisiert sind.

Weiterentwicklung der Fahrausbildung

Um die Fahrausbildung zu optimieren, gilt es präventionsrelevante Unterrichtsmaterialien in der Ausbildung zu etablieren. So lief 2022 die Vermarktung des von der BFU entwickelten Gefahrenwahrnehmungstools über Fachverlage und Berufsschulen für Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer an.

Weiter strich die BFU mit fachlichen Inputs bei der Ausbildung der Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer die Wichtigkeit präventionsorientierter Kompetenzziele hervor: Neulenkende sollen in der Fahrausbildung nicht nur Fertigkeiten und Wissen zu Fahrzeugbedienung und Verkehrsregeln erwerben, sondern auch die Kompetenz erlangen, eigene Einstellungen, Motive und Verhaltensweisen kritisch zu reflektieren. Hierzu wurden Einsatzmittel für Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer erstellt.

In Kooperation mit Drive Swiss entstand zudem ein Weiterbildungskurs zu Fahrerassistenzsystemen. Weiter integrierte die BFU im Auftrag des ASTRA sicherheitsrelevante Aspekte der fahrzeugtechnischen Entwicklung in die Überarbeitung der Fahrausbildung und definierte entsprechende Prüfungsanforderungen.

Junge Neulenkende wurden mit einer Reihe von Videos zum begleiteten Üben und zur Probephase über verschiedene Kanäle bedient. Auch das Unterrichtstool «Du entscheidest» wurde weiter an die Zielgruppe gebracht. Darin werden gruppendynamische Effekte thematisiert.

Bild einer Fahrschule von aussen.

Um die Fahrausbildung zu optimieren, gilt es präventionsrelevante Unterrichtsmaterialien in der Ausbildung zu etablieren.

Alternativen zur Kontrolluntersuchung

Viele Seniorinnen und Senioren fahren bis ins hohe Alter Auto. Das ist eine Herausforderung für die Unfallprävention, weil ältere Personen bei Unfällen ein höheres Risiko für schwere und tödliche Verletzungen haben. Gleichzeitig verursachen sie am Steuer überdurchschnittlich viele Unfälle.

Um nicht mehr fahrgeeignete ältere Personen zu identifizieren, setzt die Schweiz heute vor allem auf medizinische Kontrolluntersuchungen. Die BFU hat 2022 dieses System umfassend evaluiert und kommt zum Schluss: Die medizinischen Kontrolluntersuchungen sind zwar breit akzeptiert, bringen jedoch nicht den erhofften Sicherheitsgewinn.

Mehr Sicherheit auf dem E-Bike

2022 fanden die zwei ersten Kurse für E-Bike-Instruktorinnen und -Instruktoren statt. Diese Weiterbildung ermöglicht die Durchführung des von der BFU entwickelten, präventionsorientierten E-Bike-Grundkurses.

Zudem veröffentlichte die BFU eine Wirkungsanalyse zu Antiblockiersystemen (ABS) bei E-Bikes. Mithilfe von Fahrversuchen wurde untersucht, welchen Einfluss ein ABS auf das Bremsverhalten von E-Bikes hat. Die Versuche zeigten, dass ein ABS insbesondere das Blockieren des Vorderrads und ein Abheben des Hinterrads deutlich reduziert und zu einer besseren Stabilität beiträgt. 

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